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Mythos Mythos Leica


Prosper Duprees

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Täte man eine Leica in einen starken Mixer geben und auf höchster Stufe verbreien und die Bestandteile wissenschaftlich exakt extrahieren mittels chemischer Analysemethoden, der Satz wäre berechtigt: Ihre Leica ist nichts anderes als Blech, Glas und Plastik.

 

Dem Chemiker wird der Mythos Leica also schwerlich zu vermitteln sein, womit nichts gegen den Berufsstand gesagt sein soll. Er tut sich halt hart, etwas zu sehen, was nicht meß- und nachweisbar ist mithülfe technischer Gerätschaften, und nur böse Zungen behaupten: Blech erkennt nur Blech.

 

Der Mythos ist ja im Grunde nichts anderes als eine überkommene Heldengeschichte, die Mensch und Ding meist dann angehängt wird, wenn es mit ihnen bergab zu gehen beginnt.

Wenn dieser Satz stimmt, dann müsste der Mythos Leica mit dem Aufkommen fernöstlicher Kamerasysteme in den frühen Sechzigern entstanden sein, was er wohl auch ist.

 

Ich habe mich also gefragt, worauf er denn eigentlich gründet, wenn man voraussetzt, dass ein Apparat weder Wesen noch Seele kennt und mythosfrei gefertigt wird, von mythosfreien Beschäftigten in einem mythosfreien Achtstundentag mit mythosfreier Bezahlung nach Tarif.

 

Man könnte argumentieren, der Mythos bezöge seine Kraft aus dem Umstand, dass zeitweise sehr viele gute Fotos mit einer Leica gemacht worden sind; aber folgerichtig müsste man dann auch von einem Mythos Schwarz-Weiß und einem Mythos analoger Kameras, einem Mythos Film sprechen, was keiner tut, außer den bekannten Ewiggestrigen, zu denen ich mich zähle.

 

Man könnte auch anführen, dass einstmals mit Bedeutung bedachte Wörter wie ‚Kult’ ‚Tradition’ und ‚Mythos’, als Kennzeichnung religiöser oder quasireligiöser Handlungen dienten, nunmehr aber Anwendung finden für jede Quiz-Show und damit völlig sinnentleert sind und den Produkten nur noch konnotiert werden, weil, nicht frei von Eitelkeit, sich der Besitzer gerne über den Besitz definiert und sich, grob gesagt, den Mythos, den er dem Produkt angehängt findet, sich gern selber überstreift, als falle dabei Glanz und Gloria auf ihn ab, stolz verkündend: Ich bin Leica-Fotograf.

Gerade so, wie manche mit einem: Ich fahre Bio-Diesel, moralische Überlegenheit signalisieren wollen.

 

(Es steckt ja in jedem Satz ein unausgesprochener, aber wohl vernommener Nebensatz und alle Streitereien etwa bezüglich digital und analog verdanken sich diesen versteckten Botschaften, mit denen man sich über den anderen zu stellen versucht.

Ich fotografiere nur noch digital’, versucht ja auch wie ‚Ich kaufe nur noch Bio’ die plumpe Etablierung einer Rangfolge mit sich selber an höherer Stelle und wer schaut nicht gerne von oben herab.)

 

Qualität? Eine aktuelle Nikon löst für ein Viertel des Preises um ein Drittel höher auf als eine aktuelle M8. Dies wäre wiederum Beleg für die These: Man bemüht den Mythos umso mehr, je mehr man an Boden gegenüber dem Wettbewerb verliert.

 

Preis? Was vergleichsweise teuer erstanden wird, muss per se etwas haben, was andere Kameras nicht haben und dieser Mehrwert kann, technische Überlegenheit fällt weg, nur über das Numinose erreicht werden. (Eben das ist ja Volkswagen mit dem Phaeton, wiewohl ein hervorragendes Fahrzeug, nicht gelungen; Porsche hingegen zehrt erfolgreich davon.)

 

Form? Coca-Cola ist groß geworden, weil sie ihre Verpackung/Flasche dem weiblichen Körper nachempfunden haben. Da Männer am liebsten alle Frauen betatschen würden, dies aber nicht dürfen, greifen sie ersatzweise zur Coca-Cola-Flasche und empfinden deren Rundungen dort nach.

Eine Leica M habe ich allerdings noch nie mit holder Weiblichkeit assoziiert. Ergonomisch gesehen ist sie verunglückt und schmiegt sich keineswegs in die hohle Hand, obgleich ihre Gestaltgebung, im Grunde ein Kasten mit abgerundeten Kanten, ein großer Wurf war.

Aber warum?

 

Tradition? Er läuft und läuft und läuft ... so ähnlich schrieb VW in den 80igern über den Käfer und in der Tat gibt es nur wenige Produkte, die fünfzig Jahre am Markt sind und dies optisch nahezu unverändert wie am ersten Tag. Außer einer Leica M fallen mir nur Tütensuppenextrakte ein und ein paar Hersteller rahmengenähten Schuhwerks.

Sich praktisch drei Generationen immer wieder aufs Neue anempfohlen zu haben, erklärt sicherlich keinen Mythos, aber Respekt habe ich davor schon.

 

Man darf nicht übersehen, dass der Irrweg, den die westliche Warenkultur seit Jahrzehnten beschreitet: sich im beschleunigten Gehorsam ihrer eigengefertigten Produkte unter dem Diktat technischer Überalterung und modischer Neuerung in einer Schnelligkeit zu entledigen, die atemberaubend ist, und für die ich von meinem Großvater mehrere Ohrfeigen erhalten hätte, wenn ich so mit dem Sach umgegangen wäre, und dass dieses Ex und Hopp gleichermaßen für Mensch, Getier und die jeweils neueste Handy-, Drucker-, Kamera-, usw-Generation gleichermaßen gültig ist, also eine enorme Sehnsucht nach Dauer produziert, die nirgendwo mehr eingelöst wird, außer – paradox – im virtuellen Raum.

 

Der digitale Kameraboom nämlich verdankt sich neben allem anderen sicherlich auch der Sorge, alles festzuhalten, was morgen schon inexistent geworden sein kann, verramscht, geoutsourcet, gesperrmüllt, freigesetzt, leergeräumt, mit Rabatt losgeschlagen, zerschreddert, eingestampft und konzeptuell ersetzt. Eine Unternehmensstrategie jagt die andere und alle jagen sie gegeneinander. Alle drei Monate eine neue Kampagne, da ist das Photo, sofern s/w, von allem, was geht, das einzige, was bleibt. (Der Moment, ins Zeitlose verlängert.)

 

Also Zeit? Ist es die pure Lebenszeit einer Leica, die fantastische jahrzehntelange Produktion einer M, die den Mythos schafft?

 

Ich persönlich bin ja kein Chemiker und darf daher an alles glauben, was mir Spaß macht und ich glaube auch anders, als etwa die Lebensmittelchemiker, die mir einreden wollen, dass es bei der Nahrungsaufnahme nur darum gehe, sich die nötigen Kalorien mit säuberlich verteilten Mineral- und Vitaminstoffen einzuverleiben, daran, dass es da auch noch andere Gesichtspunkte gibt, als die Verbreiung von Vitalstoffen zum Zwecke des Lebenserhaltes einer menschlichen Maschine.

 

In der Fotografie ginge es nur darum, ein kompositorisch gelungenes Foto zu schießen und der Apparat hierzu wäre nebensächlich, so hört man sie reden.

Nein, nein, nein. Essen war vor dem gegenwärtigen Fressen ja auch mal eine Kulturangelegenheit. Man speiste, man dinierte, man kredenzte.

Man kochte sogar noch selbst und erhitzte nicht bloß Tiefgekühltes in der Mikrowelle.

 

Die Kultur der Fotografie ist weit mehr, als bloß ein Foto abzudrücken und es roundabout zu vermailen mit eingebauter Selbstverlöschung zur Speicherplatzschonung.

 

Fotografie hat ein Aroma, eine Sinnlichkeit, ein Gediegensein, Anstand, Wertschätzung und Demut und dieser Fülle am nächsten kommt eine Leica M. Daher der Mythos.

Es ist der Mythos des unverzweckten Lebens, katholon, allumfassend und damit religiös.

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lt. Duden:

My/thos (gr.-lat.) u. My/thus der:-,...then:

 

1. überlieferte Dichtung, Sage, Erzählung o.ä. aus der Vorzeit eines Volkes (die sich besonders mit Göttern, Dämonen, Entstehung der Welt, Erschaffung des Menschen befaßt).

 

2. Person, Sache, Begebenheit, die (aus meist verschwommenen, irrationalen Vorstellungen heraus) glorifiziert wird, legendären Charakter hat.

 

3. falsche Vorstellung, "Ammenmärchen", z.B. der - von ihrer Jungfräulichkeit

 

Mythos Gold, Mercedes, Porsche, Leica usw.... alle kochen sie nur mit Wasser -

 

Mythos MENSCH........ ist meiner Meinung nach der Grund und die Erklärung :)

 

Schönen Abend noch Manni

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@ "... Täte man eine Leica in einen starken Mixer ..."

 

Wer auf so eine blödsinnige Idee kommt, dessen restliche gequirlte Sosse kann man auch getrost vergessen!

 

Ich benutze meinen Blender sehr gerne, ebenso meine Leicas.

Aber bitte nicht Letzere in Ersterem.

 

Was sollen solche rhetorischen Mätzchen, wenn die Ausgangsbedingungen schon nicht stimmen?

 

Gruß Hans-Bernd

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Metaphern und Ironie sind in diesem Forum gefährliche Stilmittel, das ist leider häufig zu besichtigen, auch hier.

 

Wer also beabsichtigt, einen Thread spektakulär-originell einzuleiten, und dafür eine unverbrauchte und farbige Sprachfigur ersinnt, muss mit Protest rechnen von jenen, die schlicht geradeaus zu texten gewohnt sind, Abweichungen von dieser Regel mit passenden Smileys versehen und mit analogen Erwartungen an Lesetexte herangehen. (Die Verwendung von Smileys ist Grobmotorikern des schriftlichen Ausdrucks allerdings wärmstens zu empfehlen, weil diese Bildchen fast immer die Nebenbotschaft "Pfeif' auf mein Geschreibsel, ich hab's in jedem Fall nicht so gemeint!" einschließen und damit nach jeder Seite absichern.)

 

Für die Gemeinten hier eine Interpretationshilfe:

 

Der erwähnte starke Mixer ist erstens ein sogenannter attention step, der die Aufmerksamkeit des Lesers wecken soll für die folgenden eigentlichen Gedanken. Klassisches Beispiel für einen solchen dramaturgischen Kunstgriff ist der erste Satz von Dickens' Weihnachtsgeschichte: Marley war tot, damit wollen wir anfangen. (Im weiteren werden die Einzelheiten seines Todes breit erörtert - der Kundige weiß, dass die geschilderten Details für den Fortgang der Geschichte völlig irrelevant sind, also "gequirlte Soße".) Kurz gesagt: Der Autor wollte niemals eine Leica schreddern, er hält es nicht einmal für sinnvoll.

 

Die zerstörende Prüfung einer M-Leica durch Analyse ihres Pürees ist zweitens eine starke Allegorie und will sagen: Auch mit brachialen laboranalytischen Methoden der Naturwissenschaft kommt man jener Eigenschaft der Leica nicht auf die Spur, die ihre so oft gepriesene Besonderheit ausmacht, und die der Autor als Mythos verstanden wissen und untersuchen will.

 

So, das sollte reichen, um zukünftig verständnislos-aggressive Repliken auf einen freundlich und höflich geschriebenen Text vermeiden zu helfen.

 

@ Prosper:

Schöner Text, danke! Die Gedanken lassen sich auf viele Konsumgüter übertragen. Für deren tatsächlichen oder vermeintlichen Mythos Empfängliche (z.B. ich) sind nicht selten an ihrem Manufactum-Katalog identifizierbar, der logischerweise auch Leicas feilhält. Ich finde es wichtig, ab und zu durch Texte wie Deinen daran erinnert zu werden, dass man sich vor der Überhöhung von "Blech, Glas und Plastik" hüten sollte. Wie sagt Luther? "Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott." Uffbasse!

 

Beste Grüße, W.

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  • 1 year later...

 

Dem Chemiker wird der Mythos Leica also schwerlich zu vermitteln sein, womit nichts gegen den Berufsstand gesagt sein soll. Er tut sich halt hart, etwas zu sehen, was nicht meß- und nachweisbar ist mithülfe technischer Gerätschaften, und nur böse Zungen behaupten: Blech erkennt nur Blech.

 

:cool: Was hast du nur mit Chemikern... Du tust ja so als ob wir seelenlose, maschinenartige, trocken analysierende Computer wären...

Wohl traumatische Erlebnisse in der Kindheit gehabt?

Ich kenne keinen Naturwissenschaftler, der eine deratig reduzierte Betrachtungsweise hat. Ohne eine ganzheitliche Betrachtung wären die meisten Erfindungen nicht möglich gewesen... Ich frage mich woher dieses negative Image von Naturwissenschaftlern kommt.

 

Leidenschaftliche Grüße,

 

ein "Chemiker"

 

 

EDIT

 

Vor lauter Leidenschaft habe ich das Datum nicht beachtet :D

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Guest s.m.e.p.
@ "... Täte man eine Leica in einen starken Mixer ..."

 

Wer auf so eine blödsinnige Idee kommt, dessen restliche gequirlte Sosse kann man auch getrost vergessen!

 

Ich benutze meinen Blender sehr gerne, ebenso meine Leicas.

Aber bitte nicht Letzere in Ersterem.

 

Was sollen solche rhetorischen Mätzchen, wenn die Ausgangsbedingungen schon nicht stimmen?

 

Gruß Hans-Bernd

 

YouTube - Will It Blend? Video Camera

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Guest aquila
Wir treffen uns morgen um 10 Uhr im Media Markt, Gregor. Ich wollte dort eh mal die Mixer testen. Vergiss die M2 nicht :D

 

Ok, ok Ronald. Vielleicht sollte man erst mal mit der Bierdeckelleica probieren. Oder mit der Saphierupgrade M8. Bei meiner M2 ist das Vulkanit etwas locker...

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Was der Prosper so alles raucht. Jesses.

 

Na, ich denke, Prosper Duprees' Beitrag war recht geistreich,

dazu gehört, daß man Dinge einmal schräg anschneidet (Stichwort: Mixer).

 

Grüße,

Karl

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wo ist also das Mitglied abgeblieben?

Das wird ja aus seinen letzten Beiträgen deutlich. Am 16. Juni des vergangegen Jahres schrieb er: „Ich habe hier vor längerer Zeit gelegentlich meine Meinungen und Ansichten preisgegeben und als mir das leid tat und ich die Unhaltbarkeit mancher Positionen erkannt habe, den Administrator um Änderung und Löschung von Beiträgen geben, was aus datenorganisatorischen Gründen abgelehnt wurde.“ Danach kam nichts mehr.

 

Dieser Wunsch, einmal Gesagtes rückgängig machen zu wollen, erinnert mich an Heinrich Bölls „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“ (1958, sechs Jahre später mit Dieter Hildebrandt als Dr. Murke verfilmt), was aber wohl nur den Älteren unter uns noch etwas sagt.

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Um den (schon recht alten) Faden wieder aufzunehmen, möchte ich anmerken, dass ich nicht glaube, dass Naturwissenschaftler (und somit in diesem Zusammenhang wohl auch Ingenieure) weniger "anfällig" sind für den "Mythos Leica". Warum auch?

Gerade ein Naturwissenschaftler hat ein gewisses Grundverständnis für Technik und Optik und wird daher vielleicht sogar eher fasziniert sein von dem Aufwand und der Präzision, den Leica treibt, um seine Objektive noch ein Quentchen besser zu machen. Warum sollte ein Anglist/ Deutschlehrer/ Bäckermeister/ Theologe das eher würdigen können und davon fasziniert sein? Es sind wohl eher die technisch wenig Versierten, die sich von möglichst vielen Knöpfchen und Funktionen blenden lassen und darüber die eigentlich wichtigen Aspekte kaum kennen.

Ich jedenfalls bin Naturwissenschaftler und vielleicht auch gerade deshalb von der einerseits puristischen, andererseits überaufwändigen Art, Kameras und Objektive zu bauen, angetan. Und eine ganze Reihe der Leica-Fans, die ich gut kenne, sind ebenfalls Techniker und Ingenieure. Das werden wohl kaum alle Ausnahmen von der Regel sein.

Gruß

Nils

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