Prosper Duprees Posted July 15, 2006 Share #1 Posted July 15, 2006 Advertisement (gone after registration) Vor etlichen Jahren tauchte mein Bruder eines Tages mit einem Schlagzeug-Computer auf, einem kleinen Kästchen, das man beliebig auf Takt und Rhythmus einstellen und, noch simpler, per Zifferneingabe darin vorprogrammierte Stile abrufen konnte. Er meinte, diese Dinger wären so perfekt, so stringent, so präzise, dass man in den Profi-Studios mittlerweile eine weitere Maschine zwischenschalten würde, einen sogenannten ‚humanizer’, der das exakte Gleichmaß an Schlägen mit kleinen Irritationen versehen würde, damit der Klang wieder menschliches Maß gewönne und an Sterilität verliere. Auf meine Frage, warum man denn nicht gleich einen menschlichen Schlagzeuger engagiere, blieb er mir die Antwort schuldig, zeigte aber mit einer abfälligen Geste, dass ich die Zeichen der Zeit nicht erfasst hätte, sonst würde ich nicht so naiv fragen. Ich musste lachen (LFI 5/2006, S. 54), zu lesen, dass man nun auch der ‚gewissen Künstlichkeit ... digitaler Schwarzweißbilder’ mittels Photoshop eine ‚Filmkornstruktur ... analoger Anmutung’ verpasst, damit das Ding ‚angenehmer für das Auge’ werde. Man entblödet sich nicht, gleich auch noch die Körnungsart anzugeben (‚regelmäßig’) und die Korngröße (‚12-14’) beizusteuern und gratuliert sich selbst zu einem ‚perfekt wirkenden Schwarzweißfoto..., das auch als A4-Print einen überzeugenden Eindruck machen wird.’ Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, er enthält das ganze Substrat der geistigen Verfassung unserer Zeit und man sollte ihn eigentlich Buchstaben für Buchstaben auseinandernehmen, so wie Walter Jens einmal gesagt hat, er würde Hitlers ‚Mein Kampf’ nicht verbieten, sondern mit seinen Schülern Satz für Satz lesen und besprechen, damit die Dummheit dieser Phrasen offenbar werde. Bei Lidl gibt’s übrigens Fototapeten(115g/qm) zu 388x270, mit ‚praktischer Nummerierung’ und schönen Ausblicken, vorzugsweise Meer und Palmen, Gebirge ist auch dabei, also alles, woran uns Einbauküche und Kleiderschrank an Ausblick verwehren und zu nur 17.99. Und sicherlich nicht fotografiert, schon gar nicht mit Loika, sondern per Photoshop zu einem perfekt wirkenden und überzeugenden Eindruck zusammengeklickt. Ab Montag, 17. Juli. Link to post Share on other sites More sharing options...
Advertisement Posted July 15, 2006 Posted July 15, 2006 Hi Prosper Duprees, Take a look here Die Intensität steuernd schieberegeln (50%) Gänzlich unerotisch.. I'm sure you'll find what you were looking for!
hös Posted July 15, 2006 Share #2 Posted July 15, 2006 Sag mal Prosper, ich lese andauernd Loika. Ich dachte immer, das heißt Leica. Loika war immer eine russische Kopie auf FED und Zorki Basis! Und die gabs recht billig immer aus Polen und........ Link to post Share on other sites More sharing options...
Guest user10847 Posted July 16, 2006 Share #3 Posted July 16, 2006 Lass den Mann mal machen, Hendrik, der weiß, was er tut. Der hat das Loikaforum studiert. Ich schätze seine Texte. Link to post Share on other sites More sharing options...
Guest chris_h Posted July 16, 2006 Share #4 Posted July 16, 2006 Das Missverständnis - die Vorzüge moderner Technik, dem Bedürfnis, es sich künstlich zu verschlechtern, zu unterwerfen - beruht auf dem schlechten Glauben, das Unvollkommene wäre dem Vollkommenen vorzuziehen ... Link to post Share on other sites More sharing options...
m6_ulli Posted July 16, 2006 Share #5 Posted July 16, 2006 Das Vollkommene ist leider, oder besser, zum Glück, vollkommen uninteressant. Link to post Share on other sites More sharing options...
Guest chris_h Posted July 16, 2006 Share #6 Posted July 16, 2006 QED ... Kauf dir NIE ein Leica-Objektiv ... oder war das die Erklärung für Verarbeitungsmängel !? Link to post Share on other sites More sharing options...
martin_harwardt Posted July 16, 2006 Share #7 Posted July 16, 2006 Advertisement (gone after registration) Hallo Ich kann nicht gersde behaupten, das meine in SW umgewandelten Digifotos irgendwie unangenehm für mein Auge wären, ganz im Gegenteil. Aber sollte sich dieses Gefühl mal einstellen, dann werde ich meine E-1 einfach auf 800 ASA stellen. Die Kamera ist ihrer Zeit soweit voraus, die hat den Humanizer schon eingebaut:-) Gruß. Martin Link to post Share on other sites More sharing options...
ptomsu Posted July 16, 2006 Share #8 Posted July 16, 2006 Vor etlichen Jahren tauchte mein Bruder eines Tages mit einem Schlagzeug-Computer auf, einem kleinen Kästchen, das man beliebig auf Takt und Rhythmus einstellen und, noch simpler, per Zifferneingabe darin vorprogrammierte Stile abrufen konnte. Er meinte, diese Dinger wären so perfekt, so stringent, so präzise, dass man in den Profi-Studios mittlerweile eine weitere Maschine zwischenschalten würde, einen sogenannten ‚humanizer’, der das exakte Gleichmaß an Schlägen mit kleinen Irritationen versehen würde, damit der Klang wieder menschliches Maß gewönne und an Sterilität verliere. Auf meine Frage, warum man denn nicht gleich einen menschlichen Schlagzeuger engagiere, blieb er mir die Antwort schuldig, zeigte aber mit einer abfälligen Geste, dass ich die Zeichen der Zeit nicht erfasst hätte, sonst würde ich nicht so naiv fragen. Ich musste lachen (LFI 5/2006, S. 54), zu lesen, dass man nun auch der ‚gewissen Künstlichkeit ... digitaler Schwarzweißbilder’ mittels Photoshop eine ‚Filmkornstruktur ... analoger Anmutung’ verpasst, damit das Ding ‚angenehmer für das Auge’ werde. Man entblödet sich nicht, gleich auch noch die Körnungsart anzugeben (‚regelmäßig’) und die Korngröße (‚12-14’) beizusteuern und gratuliert sich selbst zu einem ‚perfekt wirkenden Schwarzweißfoto..., das auch als A4-Print einen überzeugenden Eindruck machen wird.’ Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, er enthält das ganze Substrat der geistigen Verfassung unserer Zeit und man sollte ihn eigentlich Buchstaben für Buchstaben auseinandernehmen, so wie Walter Jens einmal gesagt hat, er würde Hitlers ‚Mein Kampf’ nicht verbieten, sondern mit seinen Schülern Satz für Satz lesen und besprechen, damit die Dummheit dieser Phrasen offenbar werde. Bei Lidl gibt’s übrigens Fototapeten(115g/qm) zu 388x270, mit ‚praktischer Nummerierung’ und schönen Ausblicken, vorzugsweise Meer und Palmen, Gebirge ist auch dabei, also alles, woran uns Einbauküche und Kleiderschrank an Ausblick verwehren und zu nur 17.99. Und sicherlich nicht fotografiert, schon gar nicht mit Loika, sondern per Photoshop zu einem perfekt wirkenden und überzeugenden Eindruck zusammengeklickt. Ab Montag, 17. Juli. Tja das sind eben die Zeichen der Zeit und diese werden wir auch nicht ändern können, nicht mal beeinflußen, weil wir nicht genug sind gegenüber den Mengen die gerade auf das stehen. Auch nicht mit noch so vielen Worten von Dir! Und manchaml hat diese neumodische Zeug, das man auch digitalen Workflow nennt, durchaus seine guten Seiten. Link to post Share on other sites More sharing options...
m6_ulli Posted July 16, 2006 Share #9 Posted July 16, 2006 QED ... Kauf dir NIE ein Leica-Objektiv ... oder war das die Erklärung für Verarbeitungsmängel !? Ich hab mir sogar schon viele Leica-Objektive gekauft, und kein einziges davon hatte jemals auch nur den geringsten Verarbeitungsmangel. Andere Mängel auch nicht. In Gegensatz dazu empfinde ich viele, wenn auch nicht alle der ach so modernen Vorzüge neueren Fotogeräts als Mangel an sich. Link to post Share on other sites More sharing options...
Guest chris_h Posted July 16, 2006 Share #10 Posted July 16, 2006 Glück gehabt ... Aber eigentlich sind sie doch saulangweilig - SO perfekt, wie sie nunmal sind !? Link to post Share on other sites More sharing options...
m6_ulli Posted July 16, 2006 Share #11 Posted July 16, 2006 Nö, das unperfekte am Bild bringt ja der Fotograf rein. Man hat halt immer die Wahl, ob man die theoretisch mögliche Bildqualität so oder so nutzen will. Langweilig sind viel eher aseptisch perfekte Pixelanhäufungen. Oder langweilig sind mit Schappriegeln per Roboterstraßen in Millionenstückzahlen zusammengeklippste Plastikteile, die sich Objektiv nennen. Die kann man ja nicht mal mehr aus Spieltrieb auseinanderschrauben. Oder langweilig sind supermoderne Kameras, die man einen Meter vor sich halten muß, weils keinen Sucher mehr gibt. Und wo man in der Sonne auf dem Display eh nix mehr sieht. Da waren ja selbst die Rahmensucher aus gestanztem Blech an den Balgenkameras anno Tobak noch fortschrittlich dagegen, zumindest praxisnäher benutzbar. Link to post Share on other sites More sharing options...
modschiedler Posted July 16, 2006 Share #12 Posted July 16, 2006 Nun ja, Herr Duprees, vielleicht ist da doch der Wille zur beredten Kulturverfallsdiagnostik etwas übers Ziel hinausgeschossen. Man mag ja von der LFI halten, was man will, aber man braucht ja trotzdem nicht Satzteile aus dem Zusammenhang zu reißen, nur um eine Message unter die Leute zu bringen, die auch durch Droppen von Namen penetranter Großrhetoriker in einem Atemzug mit div. Blödigkeitsanwürfen nicht an Bedeutsamkeit gewinnt. Bleiben wir doch auf dem Teppich und lesen die betr. Stelle nicht als Stichwortgabe zur geistigen Situation unserer Zeit, sondern so simpel, wie es da steht: Jahrzehntelang sehnte man sich nach möglichst feinkörnigen Filmen, nun, wo das digitale Bild das analoge zu verdrängen sich anschickt, feiert man das sichtbare Korn als ästhetische Offenbarung. Das ist einerseits albern, hat jedoch andererseits damit zu tun, dass gemäß Sehgewohnheit eine stochastische Verteilung angenehmer empfunden wird als eine ebenmäßige. Eine Gewohnheit, nicht mehr. Menschliches Maß? Was für eine eigenartige Ideologie, zu insinuieren, das Aufzeichnungsmedium Film sei gleichsam das natürliche, und das digitale Bild sei das direkte Pendant zum Werteverfall. Nein, es ging einzig und allein darum, Photoshop dazu zu benutzen, einem bearbeiteten Bild (übrigens bearbeitet auf eine Weise, wie man es in der Dunkelkammer ähnlich tun würde), als I-Tüpfel eine Kornstruktur (auf eine von vielen möglichen Weisen und aus dem oben skizzierten Grunde) zu verpassen (worauf man natürlich auch verzichten könnte). Und nicht etwa entblödete man sich nicht, Kornarten anzugeben, sondern man gab Richtwerte an, um darauf aufmerksam zu machen, dass man mit Photoshop eben behutsam umgehen muss, so wie mit jedem anderen mächtigen Werkzeug auch, und so wie man in Kochbüchern zur Filmentwicklung ebenfalls Richtwerte angibt, um zB die Gradation in eine bestimmte Richtung zu steuern. Hier wie da geht es um die Beherrschung einer Technik, um irgendein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, nicht mehr, nicht weniger. Und man gratuliert sich in dem besagten Text nicht deshalb zu einem perfekten Bild, weil man eine Kornstruktur simuliert hat, sondern weil man eine Kontraststeuerung hinbekommen hat, mit der man zufrieden sein kann. Nichts anderes macht man im Nasslabor, aber in diesem Falle hat man es mit digitalen Werkzeugen gemacht, und da müssen natürlich die Alarmglocken zu läuten beginnen. Verrat an der Menschlichkeit und so weiter. Entscheidend übrigens der Hinweis, es sei vor etlichen Jahren gewesen, die Sache mit dem Drumcomputer. Jede Technik, die neu ist, provoziert Übertreibungen, muss erstmal erlernt werden und eingebettet in die Routine alltäglicher Verrichtungen. Als Mobiltelefone neu waren, waren die Straßen voll von Leuten, die irgendwem sinnloserweise mitteilen mussten, sie seien jetzt hier oder dort. Heute benutzt man sie einfach. Techno als Stil ist längst öde, und wer heute etwa Apples GarageBand benutzt, den interessiert die Diskussion überhaupt nicht, ob Computerinstrumente echte Musiker überflüssig machen (das ist nämlich Bullshit), sondern er freut sich an einer herrlichen digitalen Aufzeichnungs- und Editiermöglichkeit für Musik mit echten Instrumenten, gespielt von echten Menschen. Und, ach Gottchen, immer reflexartig Beispiele hervorzukramen wie "bei Lidl gibt es …", wenn es um digitale Werkzeuge geht, das führt doch nun wirklich ins Nirgendwo, und schon gar nicht hilft es bei der Offenlegung des, hey, geistigen Substrats unserer Zeit, meine Güte. Link to post Share on other sites More sharing options...
urleica Posted July 16, 2006 Share #13 Posted July 16, 2006 Vor etlichen Jahren tauchte mein Bruder eines Tages mit einem Schlagzeug-Computer auf, einem kleinen Kästchen, das man beliebig auf Takt und Rhythmus einstellen und, noch simpler, per Zifferneingabe darin vorprogrammierte Stile abrufen konnte. Er meinte, diese Dinger wären so perfekt, so stringent, so präzise, dass man in den Profi-Studios mittlerweile eine weitere Maschine zwischenschalten würde, einen sogenannten ‚humanizer’, der das exakte Gleichmaß an Schlägen mit kleinen Irritationen versehen würde, damit der Klang wieder menschliches Maß gewönne und an Sterilität verliere. Auf meine Frage, warum man denn nicht gleich einen menschlichen Schlagzeuger engagiere, blieb er mir die Antwort schuldig, zeigte aber mit einer abfälligen Geste, dass ich die Zeichen der Zeit nicht erfasst hätte, sonst würde ich nicht so naiv fragen. Ich musste lachen (LFI 5/2006, S. 54), zu lesen, dass man nun auch der ‚gewissen Künstlichkeit ... digitaler Schwarzweißbilder’ mittels Photoshop eine ‚Filmkornstruktur ... analoger Anmutung’ verpasst, damit das Ding ‚angenehmer für das Auge’ werde. Man entblödet sich nicht, gleich auch noch die Körnungsart anzugeben (‚regelmäßig’) und die Korngröße (‚12-14’) beizusteuern und gratuliert sich selbst zu einem ‚perfekt wirkenden Schwarzweißfoto..., das auch als A4-Print einen überzeugenden Eindruck machen wird.’ Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, er enthält das ganze Substrat der geistigen Verfassung unserer Zeit und man sollte ihn eigentlich Buchstaben für Buchstaben auseinandernehmen, so wie Walter Jens einmal gesagt hat, er würde Hitlers ‚Mein Kampf’ nicht verbieten, sondern mit seinen Schülern Satz für Satz lesen und besprechen, damit die Dummheit dieser Phrasen offenbar werde. Bei Lidl gibt’s übrigens Fototapeten(115g/qm) zu 388x270, mit ‚praktischer Nummerierung’ und schönen Ausblicken, vorzugsweise Meer und Palmen, Gebirge ist auch dabei, also alles, woran uns Einbauküche und Kleiderschrank an Ausblick verwehren und zu nur 17.99. Und sicherlich nicht fotografiert, schon gar nicht mit Loika, sondern per Photoshop zu einem perfekt wirkenden und überzeugenden Eindruck zusammengeklickt. Ab Montag, 17. Juli. um den von Ihnen in epischer Breite vorgetragenen Aufsatz kurz und inhaltlich einzugrenzen, seien mir die zwei folgenden Albert Einstein Zitate gestattet:: Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich nur darin zurechtfinden. Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben. Nur Böswillige könnten möglicherweise ein weiteres Zitat Einsteins für zutreffender halten, wovon ich mich aber ausdrücklich distanziere: Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt. Link to post Share on other sites More sharing options...
Recommended Posts
Archived
This topic is now archived and is closed to further replies.