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Fundstück(e) aus dem Netz - mitmachen erwünscht !


MAX

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Guten Tag allerseits:),

 

zu dem Thema Nitrofilm habe ich schon einmal vor einiger Zeit recht umfangreich recherchiert, weil doch recht dramatisierende Meinungen und Gerüchte um dieses Material und die davon ausgehenden Gefahren im Umlauf sind und ich selber im Besitz von Nitratfilmnegativen bin. Die damals in einem anderen Forum dazu geschriebenen Texte stelle ich hier noch einmal ein, auf daß sich ein jeder selber seinen Rein darauf mache.

 

 

So, ich wollte es nun wissen: Ein Stückchen Nitrofilm 35mm habe ich noch aufgetrieben, zerschnippselt und ihn auf verschiedene Weisen zur Entzündung gebracht.

 

1. in der Tat, so feurig hatte ich das garnicht in der Erinnerung. Es brennt wirklich bei Entzündung mit dem Feuerzeug sofort und dann wie gesagt sehr rasch, eigentlich sogar noch rascher ab. Riecht unangenehm nach nitrosen Gasen und der wenige Rückstand erscheint mir eher von der aufliegenden Gelatine zu rühren als vom Zelluloid.

 

2. habe ich versucht, ein solches Filmstück mit einem 2000W Fön, der recht gut "wärmt", zur Selbstentzündung zu bringen: Obwohl ich die haltende Zange schon nicht mehr vorne berühren konnte, erfolgte keine Selbstentzündung. Bei intensivem Kontakt mit einem heißen, arbeitsbereiten Lötkolben hingegen begann sich das Filmstück zunächst zu verformen, um dann sogleich komplett in Flammen aufzugehen.

 

Ich ziehe für mich daraus den Schluß, daß es unbedingt ratsam ist, Filmmaterial auf der basis von Zellulosenitrat entsprechend zu lagern, aber Panik unangebracht ist. Ich würde mich unbedingt davor hüten, den Ordner/die Kiste mit den Dias oder Negativen auf die Heizung zu stellen oder bei Sonneneinstrahlung auf die Fensterbank zu legen, man kann auch darüber nachdenken, dieses Material portioniert und eingeschweißt im Kühlschrank zu lagern, bis es umkopiert und/oder digitalisiert wird, um sich dann u.U. nach und nach davon zu trennen. Sicherlich ist es weder der richtige Weg, das photographische Material unverzüglich zu entsorgen noch, vor der Brandgefahr die Augen zu verschließen.

 

um dem Ganzen mal etwas von seiner Schärfe zu nehmen:

 

Mir selbst hat die Sache, insbesondere auch nach der Betrachtung des Videos (wurde seinerzeit im Netz verbreitet und diskutiert), keine rechte Ruhe gelassen und so habe ich mal von, wie ich denke, kompetenter Stelle eine Meinung eingeholt. Ich habe zu Thema Nitrocellulose (eigentlich besser:Cellulosenitrat)-Kollodium-Schießbaumwolle zwei längere, aufklärende Gespräche mit dem Laborleiter eines Betriebes geführt, die diesen Stoff in großen Mengen produzieren. Das Resultat gleich zu Anfang: es wird wohl aus diesem Thema doch mehr gemacht, als unbedingt nötig.

 

Zunächst ein Irrtum meinerseits: Zelluloid ist nicht niedrig nitrierte Cellulose wie ich zu wissen glaubte. Trotzdem ist dies keineswegs sprengfähiges Material, sondern durch sogenannte Phlegmatisierungsmittel (da gibt es eine ganze Reihe, eines davon ist der trinkbare Alkohol Ethanol) in einen vergleichsweise harmlosen Zustand versetzt. Diese Nitrocellulose dient als Grundstoff für eine ganze Reihe von Produkten, beispielsweise bestehen wirklich hochwertige Tischtennisbälle bis heute aus Zelluloid. Meines Wissens hat sich noch nie jemand darüber empört, daß sogar Minderjährige damit unbaufsichtigt umgehen

 

Beim Zelluloidfilm wird diese Phlegmatisierung durch Kampfer herbeigeführt, der hier gleichzeitig als Weichmacher dient. Dieser kann im Laufe der Zeit zum Teil flüchtig entweichen, was den Film spröde werden lässt, es bleibt aber immer noch so viel davon im Material enthalten, daß daraus keine Explosionsfähigkeit resultieren kann. Die überlieferten Brandkatastrophen in Kinos der frühen Jahren resultieren vor allem aus der speziellen Art des Vorführens eines Kinofilms im allgemeinen und der damaligen Zeit im speziellen: Kinofilmvorführungen benötigen nun einmal viel Licht auf kleinstem Raum (Filmbildgröße 16/18x24mm), damit die Leinwand auch entsprechend hell und damit subjektiv scharf und kontrastreich ausgeleuchtet ist. Dies ließ sich bis zur Erfindung der HTI- und Xenon-Kurzbogenlampen nur mit Starkstrom-Kohlebogenlampen erreichen. Diese geben zwar ein intensives und dabei angenehmes Licht, produzieren aber auch eine ganz gehörige Portion Infrarotstrahlung die gemeinsam mit dem sichtbaren Licht auf die Filmoberfläche gebündelt wird. Dies geht solange gut, wie der Film läuft und jedes Filmbild nur Sekundenbruchteile vor dem Filmfenster steht. Aber wehe, der Film stockt auch nur kurz, z.B. wegen eines ausgeschlagenen Perforationlochs oder gar eines Risses. Dann stand in der Tat der Film in Flammen und der Vorführer hatte alle Mühe, die Sache in den Griff zu bekommen. Deshalb waren später die Filmspulen am Projektor auch nicht mehr offen laufend, sondern komplett gekapselt. Auch die heutigen Lichtquellen haben es da ganz schön in sich: Man kann mit heutiger Projektions- und Lichttechnik einen Super8-Film durchaus auf eine Breite von 7m bringen. Bildmäßig ist dies ein echter Augenschmaus, der auch von moderner Videotechnik nur schwer zu übertreffen ist, natürlich vorausgesetzt, daß das Filmmaterial in entsprechendem Zustand ist. Bleibt jedoch der Film stehen, hat man auch hier innerhalb von Sekunden ein rechteckiges Loch im Bildfensterformat in den Filmstreifen geschmolzen, nur brennen tut es nicht mehr.

 

Des weiteren geht das Zeug tonnenweise in die Lackindustrie, vowiegend zur Erzeugung von Möbellacken. Geschliffene Hölzer sehen mit diesen Lacken behandelt besser aus, als mit den umweltgerechten Acryl(Wasser)-Lacken, das kann ich als ehemaliger Tischler auch so bestätigen. Die Wasserlacke werden nicht etwa wegen der Gefährlichkeit, die von der Nitrocellulose ausgeht sondern der Lösungsmittel und der daraus resultierenden Probleme wegen vor allem von kleineren Betrieben inzwischen gemieden. Hat ein Betrieb jedoch die entsprechenden Filtereinrichtungen, wird i.d.R. dem Nitrolack der Vorzug gegeben.

 

Noch schlimmer: Ich habe darüber hinaus mit einem langjährigen, engagierten Jäger darüber gesprochen: Dieser Personenkreis hat oftmals mehrere Kilogramm Munition im Hause liegen. Von diesem Gewicht sind ca. 20-25% Nitrocellulose, aber in diesem Fall sprengfähiges Material. Natürlich hat der Jäger dafür zu sorgen, das Munition und Waffen getrennt unter Verschluß gehalten werden. Dies aber, damit ein Missbrauch möglichst ausgeschlossen wird. Von einer davon ausgehenden Gefahr durch Selbstentzündung o.ä. ist in den jagdlichen und waffentechnischen Vorschriften zur Lagerung hingegen keine Rede.

 

Man darf also als verantwortungsbewußter Photoamateur, der ein paar hundert Gramm Nitrofilm in seinem Archiv hat, davon ausgehen, daß diese keine unmittelbare Gefahr für Leib und Haus darstellen. Allerdings ist es schon so, daß sie als feuergefährlich einzustufen sind. Bei einem Brand, der anderswo im Hause entsteht und der diese Nitrocellulose erreicht, geht es dann natürlich richtig zur Sache. Bloß gilt das letztlich für die Flasche Brennspiritus und das Fleckenwasser in der Küche, den Liter Pinselreiniger und den Reservekanister in der Garage und den Terpentinersatz (Testbenzin) in der Heimwerkstatt ganz genauso.

 

Als Löschmittel wurde mir unbedingt Wasser empfohlen. Dies wiederspricht zunächst dem in dem Video gezeigten Effekt, dieser ist aber nach Aussage des Fachmanns darauf zurückzuführen, daß das Wasser durch den dicht aufgewickelten Film nicht an den eigentlichen Brandherd in der Rolle herankam bzw. die Spule (effektvoll) zu früh aus dem Wasserfass geholt wurde. In der Tat ist es aber schon so, daß einmal entzündetes Zelluloid nicht leicht zu löschen ist.

 

Ich hoffe, daß diese Zeilen die schlimmste Unsicherheit nehmen.

 

Ich hoffe abermals ...

 

Freundliche Grüße

 

Wolfgang

 

.... und ein weiteres Mal!

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